Neuerscheinung: "Neue linke Mehrheiten" von Katja Kipping

Ein Kommentar von Andrea Ypsilanti

Katja Kipping hat eine Einladung an eine "neue linke Mehrheit" ausgesprochen. In einer kleinen Flugschrift. Sie gefällt mir ausgesprochen gut.

Sie beginnt mit einer Analyse des Bestehenden. Aber nicht mit einer Beschreibung dessen, was wir sowieso schon wissen. Sondern sie beschreibt den Ist -Zustand als ihre Haltung zum Bestehenden und begründet damit schon ihre Vorschläge des Veränderungsbedarfes.

Auf der Meta-Ebene fordert sie eine sozial-ökonomischeTransformation, die mich anfangs verwirrte, da wir ja im ISM immer vom sozial-ökologischen Umbau sprechen. Sie begründet jedoch sehr schlüssig, dass es ohne eine andere, eine solidarische, gemeinwohlorientierte Wirtschaftsweise, keinen ökologischen Umbau geben wird.

Maßgebliche Politikfelder werden anhand von vier "Kipppunkten" besprochen: militärische Eskalation, Klimakrise, autoritäre Wende und soziale Spaltung. Anhand dieser Kipppunkte blättert sie ihre Vorschläge für radikale Reformen auf.

Dabei behält sie implizit aber sehr stringent die "Klassenfrage" und den Kampf "ums Ganze", eben auch den Internationalismus, fest im Blick . Ebenso wie die Widerstände, die auf uns alle warten, wenn wir diesen Kampf annehmen.

Katja Kipping bezieht eindeutig Haltung als Politikerin der Partei Die Linke und geht dabei ernst und offen auf die SPD und die Grünen zu. Indem sie nicht das Trennende und die Vergangenheit betont, sondern die Chancen des Gemeinsamen. Das ist nicht wenig. Dabei werden nicht blauäugig die Differenzen ausgespart, aber die Notwendigkeit einer Verständigung auf Gemeinsamkeiten wird mit der Dringlichkeit für neue Antworten sehr gut begründet.

Was mir als ISM-Mitglied sehr gut gefällt, ist ihre eindeutige Haltung zu den Bewegungen und der Zivilgesellschaft, ohne die es eine echte Transformation nicht geben kann. Sie nennt das "Regieren in Bewegung" und trifft meiner Meinung nach den Punkt sehr gut.

Die Flugschrift macht wirklich Hoffnung in dieser schwierigen Zeit, weil sie ein Gefühl vermittelt, was an Veränderungen möglich sein kann. Sie enthält einen utopischen Überschuss, der gut an reale Utopien anknüpfen kann. Das macht die Flugschrift so greifbar und gleichzeitig wird klar, dass es nicht um einen "Sprint, sondern um einen Marathonlauf geht".

Es wäre jetzt die Aufgabe von uns allen, diese Einladung anzunehmen und ich wünsche mir sehr, dass SPD und Grüne die dringende Notwendigkeit für neue linke Mehrheiten sehen und zugreifen.

"Stellen wir der radikalen Rechten die Kraft der Solidarität entgegen."

 

Katja Kipping: "Neue linke Mehrheiten. Eine Einladung" erschien im Argument Verlag (2020).