Zukunftslinke, Volksfront, Sammlungsbewegung?

Ein passender Name wäre schön, aber noch nicht die Rettung

Wie nennen wir die Bewegung – Zukunftslinke, Volksfront, Sammlungsbewegung?

In der Unendlichen Geschichte von Michael Ende droht Phantásien, das Reich der Fantasie, durch das Nichts verschlungen zu werden. Die Rettung wäre und ist am Schluss ein Name für die Kindliche Kaiserin. „Gib mir einen Namen“ fordert sie verzweifelt, bekommt einen und alles ist gut. Allerdings im allerletzten Moment.

Das ISM hat sich am 15. März 2025 mit dem Auftakt[1] einer Forenreihe auf den Weg gemacht, eine strategische Debatte über den Aufbau einer „Zukunftslinken“ zu führen. Seither findet eine nicht vordergründige, aber doch alles begleitende Diskussion darüber statt, wie man nennen könnte, was gewollt ist. Die Zukunftslinke gilt vielen erst einmal nur als nicht allzu untauglicher Platzhalter. Und sagt ja auch schon was. Links. Irgendwie. Aber vielleicht auch zu wenig. Wer gehört dazu? Wer nicht? Für wen und gegen was? Welche und wessen Zukunft wird adressiert? Braucht die oder das Linke überhaupt noch die Zukunft im Namen – muss es also ein Kompositum sein? Stellt das Kompositum klar, dass es auch eine Vergangenheitslinke gibt? Oder soll es nur verstärken, dass hier die Fähigkeit adressiert wird, aus der Gegenwart heraus (die ziemlich schrecklich ist) eine bessere Zukunft beschreiben zu können? Und dabei möglichst viele Bündnispartner:innen zu finden und stärker zu werden?
Während des ersten Forums fiel sehr häufig der Begriff „Mosaiklinke“, um aber fast unisono als nicht mehr ausreichend bzw. untauglich beschrieben zu werden. Im Bericht über das Forum[2] hieß es deshalb: „Insofern war es nicht überraschend, dass wir immer wieder über die Frage stolperten, wer denn eigentlich mit dem ,wir‘ gemeint ist, von dem jeweils die Rede war? Was versteht wer unter ,Zukunftslinke‘ (ist es gar ein PR-Begriff?), was unter ,linkem Mosaik‘, was impliziert der Begriff ,Volksfront‘? Und wen meinen wir eigentlich, wenn wir von dem fragmentierten und abhandengekommenen oder zukünftigen ,Solidarischen Drittel‘ sprechen?“

Auch der Begriff „Volksfront“, der in unserer Lesart Bezug nimmt auf Étienne Balibars Analyse[3] der französischen Nouveau Front Populaire, bereitet nicht wenigen Bauchschmerzen. Die Kombination aus dem Volk und der – nicht ursprünglich, aber dann doch – dem Militärischen zugeordneten Front klingt im Deutschen fehl am Platz. Sie geht einer nicht nur schwer über die Lippen, ihr wohnt auch das Bedenken inne, da könnten sich diejenigen angesprochen fühlen, denen es Paroli zu bieten gilt. Das wird zwar besser, aber nicht richtig gut, spricht man von einer „gesellschaftlichen Volksfront von unten“, in der Abgrenzung zur Vorstellung eines linken Parteienkartells, über das eine gesellschaftliche Volksfront sicher hinausgehen würde. Aber so richtig springt der Funke nicht über. Man möchte sich nach dem Aussprechen des Wortes Volksfront immer gleich entschuldigen bzw. Erklärungen abgeben.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma schien oder scheint der Begriff der „Antifaschistischen Sammlungsbewegung“ zu sein. Er transportiert klare Haltung und das Angebot an viele, sich dem anzuschließen. Keine Gefahr eines Top-down-Prozesses, kein Parteienkartell, aber auch kein Ausschluss jener demokratischen Parteien, die das ISM einst adressierte, um im parlamentarischen Raum eine Wende zum Besseren einzuleiten, in Gestalt einer rot-rot-grün oder grün-rot-roten Koalition. Nicht enthalten – zumindest erst einmal nicht im Begriff – ist das planetare Paradigma. Also das, was Parteien nicht bzw. nur unzureichend abbilden. Darin liegt eine ausreichende Portion Ehrlichkeit, denn das planetare Paradigma steht ziemlich weit hinten auf der Agenda. Der Begriff Sammlungsbewegung kann also ebenfalls erst einmal Platzhalter im besseren Sinne sein – schließlich gilt es auszuloten, ob nicht doch eine Möglichkeit besteht, über das berühmt-berüchtigte progressive Drittel zu kommen (Was sind die anderen zwei Drittel derweil?). Also offen zu sein, sich zu sammeln, vor allem inhaltlich, Ziele zu beschreiben, eine Zukunft, in der die Nächsten im wörtlichen und zeitlichen Sinne nicht diskontiert werden.

Aber ja, es ist immer so eine Sache mit den Adjektiven. Sagt das Attribut „antifaschistisch“, dass das Ökologische warten kann? Sagt „ökologisch“, dass wir die Gefahr von rechts verharmlosen, der Teile der Mitte bereits einverleibt sind? Und was bedeutet es, wenn wir von einem „sozialen Antifaschismus“ reden? Wohnt dem inne, dass auch ein asozialer, unsozialer Antifaschismus denkbar ist? Wird es besser, wenn wir von einer Allianz des sozialen Antifaschismus sprechen?

Alle Begrifflichkeit scheint gegenwärtig eine Notlösung zu sein. Für das Wort Notlösung gibt es acht Synonyme, von denen „Ausweg“ und „Improvisation“ vielleicht die schönsten sind. Wir improvisieren, weil wir am Anfang sind. Und vielleicht finden wir auf diesem Weg einen Aus-Weg, der einen neuen Anfang beschreibt. Unserem ersten Forum wohnte denn auch eine gehörige Portion Chaos inne, das sich nicht in ein übersichtliches Mindmap packen ließ. Egal wie wir nannten, worüber wir da sprachen und zu diskutieren gewillt waren: Es blieb eine Notlösung. Das ist nicht dramatisch, denn wir wissen aus Erfahrung, dass ein griffiger Begriff zwar noch so gut als Selbstzuschreibung funktionieren kann, er ist aber nicht einmal die halbe Miete. Klar, das Phantásien der Unendlichen Geschichte erblüht neu, als die Kindliche Kaiserin endlich zu ihrem Namen kommt. Aber: Es ist und bleibt ein Märchen. Und bis zu seinem glücklichen Ende war es ziemlich langer Weg.

Links:

  1. https://www.solidarische-moderne.de/de/article/722.auftakt-einer-debatte-zum-aufbau-einer-zukunftslinken.html
  2. https://www.solidarische-moderne.de/de/article/722.auftakt-einer-debatte-zum-aufbau-einer-zukunftslinken.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183372.linker-widerstand-in-frankreich-volksfront-oder-kartell-der-linken-das-kommende-volk-n-teil.html