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Arbeitszeitverkürzung als Transformationsprojekt

Wie wird Arbeitszeitverkürzung emanzipatorisch, solidarisch und transformativ?

Arbeitszeitverkürzung wäre ein großer Schritt in der sozial-ökologischen Transformation hin zu einem guten Leben für alle. Die radikale Umverteilung von Zeit, Einkommen und Sorgearbeit würde klimapolitische, feministische und soziale Kämpfe voranbringen und neue Möglichkeitsräume für politische Teilhabe eröffnen.

In einem ISM-Forum im Januar 2021 haben Andrea Ypsilanti, Stephan Krull (Koordinator des Gesprächskreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung Zukunft Auto Umwelt Mobilität und Mitbegründer der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe ArbeitFairTeilen), Anna Stiede (politische Bildnerin zu feministischer Ökonomiekritik) und Filippos Kortoglou (IG Metall) die Chancen und Potenziale von Arbeitszeitverkürzung diskutiert. Die Forderung nach der Kürzung von Erwerbsarbeit als  essentiellen Bestandteil einer sozial-ökologischen Transformation und eines neuen solidarischen Gesellschaftsvertrags wurde in diesem Positionspapier aufgegriffen. 

Dieses Jahr nimmt das Thema Arbeitszeitverkürzung weiter Fahrt auf: das Konzeptwerk Neue Ökonomie veröffentlichte im Februar ein Dossier zum Thema Arbeitszeitverkürzung, das wir als ISM unterstützt haben, und das Thema wird verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert. Auch bei den Gewerkschaften bewegt sich etwas: Die IG-Metall kündigte an, die Forderung nach einer 4-Tage Woche mit in die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie zu nehmen. Mit Vertreter:innen beider Organisationen diskutierte Andrea Ypsilanti im Februar im ISM Podcast Transit Talk #8, wie eine Arbeitszeitverkürzung aussehen könnte, damit sie auch tatsächlich zu einer radikalen Umverteilung von Zeit, Einkommen und Sorgearbeit führt.

Die Forderung nach der Verkürzung von Arbeitszeit findet Unterstützung aus verschiedenen Richtungen. Vertreter:innen der feministischen Bewegung befürworten unter anderem, dass eine Arbeitszeitverkürzung zur gerechteren Verteilung von Sorgearbeit führen würde. Die Klimabewegung sieht darin die Möglichkeit einer Abfederung der Herausforderungen des Rück- und Umbaus von klimaschädlichen Industrien. Auch eine jüngere Generation von Arbeitnehmer:innen, denen eine selbstbestimmte Gestaltung ihrer Zeit wichtig ist, sowie Gewerkschaften, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, zählen zu den Befürworter:innen. Es gibt allerdings auch Widerstände von Arbeitgeberseite. Während einige Arbeitgeber-Organisationen das Potential von Arbeitszeitverkürzung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels erkennen (kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn machen Jobs attraktiver und sorgen für weniger Stress und Erschöpfung und damit für weniger Ausfälle), befürchten andere Produktivitätsverluste oder zweifeln an der Finanzierbarkeit. Verschiedene Pilotprojekte (zum Beispiel in Großbritanien) zeigen jedoch die positiven Effekte und Umsetzungspotentiale auf. 

In diesem Kontext arbeiten wir als ISM nun zu der Frage, wie eine Arbeitszeitreform aussehen sollte, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird und emanzipatorisch, solidarisch und transformativ wirkt. Und: Wie können progressive Kräfte erfolgreich für  Arbeitszeitverkürzung streiten und wie wird diese politisch umsetzbar? Welche Allianzen und Bündnisse braucht es, um Mehrheiten zu organisieren und mächtige Widerstände zu überwinden?  

Diesen Fragen gehen wir im Projektstrang Arbeitsteitverkürzung mit einem Crossover-Vernetzungsansatz nach, um den Boden für ein breit getragene gesellschaftliche Forderung zu bereiten. Dafür bringen wir Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kontexten zusammen und möchten zu einer Verständigung der verschiedenen Perspektiven beitragen. Das Ziel dabei ist die Forderung nach einer Arbeitszeitreform so zu schärfen, dass sie allen Menschen gleichermaßen zu Gute kommt.