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Menschenrechte statt rechter Menschen

Rostock darf sich nicht wiederholen!

Und wieder tobt der Mob. Nahezu täglich finden Angriffe auf Asylsuchende oder ihre Unterkünfte statt, die Hetze organisiert sich und breitet sich via diversen –gidas, der AfD und ihren rechten Unterstützer*innen im Lande aus.

Unser Dank und unsere Solidarität gelten daher all jenen – von Antifa bis Kirchgemeinde –, die seit Wochen, Monaten und Jahren gegen rassistische und rechte Hetze auf die Straße gehen, die in der Flüchtlings(selbst)hilfe unterstützen und sich dafür immer wieder beschimpfen, verprügeln oder kriminalisieren lassen (müssen). Ohne sie wäre die Situation noch viel unerträglicher.

Auch die scheinbar bürgerliche Politik trägt eine Mitverantwortung an den permanenten Ausfällen und Übergriffen, indem sie von Obergrenzen schwadroniert oder eine "Grenzen dicht"-Rhetorik an den Tag legt und sogenannte Asylpakete schnürt, die rechter Stimmungsmache erst recht den Resonanzboden verleihen. Einen unrühmlichen Höhepunkt erlangten die menschenverachtenden Übergriffe, beklatscht von einem geifernden Trupp "Wir sind das Volk" skandierender rechter Menschen in Sachsen (Ja, Herr Tillich, setzen Sie sich damit auseinander – das waren sächsische Bürger*innen).Am letzten Wochenende sogar gleich doppelt – konkret in #Clausnitz und in #Bautzen.

Und statt auf die vielfache Schande, die sich dort abspielte, mit Rechtsstaatlichkeit und Solidarität gegenüber den Geflüchteten zu reagieren, erklärt die Polizei die Geflüchteten für mitverantwortlich an den Übergriffen und versucht so ihre absoluten Grenzüberschreitungen zu legitimieren, die konkret bedeuteten, dass in Clausnitz weinende Kinder mit roher Gewalt am Mob vorbei von Polizeibeamten aus dem Bus geschliffen wurden. Da erscheint es schon fast wie eine Randglosse, dass der Heimleiter nicht nur Hetze heißt und der AfD angehört, sondern auch schon als "hetzender besorgter Bürger" auf AfD-Demonstrationen unter der Überschrift "Das Asylchaos beenden" seiner Meinung mit deutlichen Worten freien Lauf gelassen hatte. Aus Brandreden werden Brandsätze. Nur eine Nacht später behinderte ein Trupp klatschendes selbsternanntes Volk die Feuerwehr, während in Bautzen nach Brandstiftung erneut eine Unterkunft in Flammen aufging, derweil Besoffene von deutschen Werten schwadronierten und schon im Vorfeld in rechten Internetforen darüber spekuliert wurde, wie man den Dachstuhl "verschönern könnte". Doch keiner will sowas geahnt haben.

Erinnerungen werden wach. Vor 24 Jahren brannte die Unterkunft für die ehemaligen Vertragsarbeiter*innen in Rostock, während ein wütender Mob tagelang das Haus umzingelte und im wahrsten Sinne des Wortes anfeuerte. Es brannte auch in Solingen, in Hoyerswerda und in Mölln. Doch wie reagierte die Politik? Mit der faktischen Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl und dem weiteren Ausbau der Festung Europa.

Auch heute wird über weitere Verschärfungen beim Asylrecht verhandelt – konkret über das sogenannte Asylpaket 2, während, so das UN-Flüchtlingshilfswerk, täglich zwei Kinder im Mittelmeer ertrinken, weil es nach wie vor weder sichere noch legale Fluchtwege gibt.

Das aktuelle Gesetzespaket beinhaltet eine Einschränkung des Familiennachzugs – dies wird noch mehr Frauen und Kinder auf klapprige Boote zwingen –, die Postulierung weiterer sogenannter sicherer Herkunftsstaaten (diesmal geht es um Algerien, Marokko und Tunesien – jede und jeder der sich dafür interessiert, kann mit wenigen Klicks erfahren, wie es in diesen Ländern tatsächlich um die Menschenrechtslage bestellt ist), eine sogenannte Wohnsitzauflage ist wieder im Gespräch – die Residenzpflicht lässt grüßen – und viele Gemeinheiten mehr.

Umso wichtiger erscheint es gerade jetzt, die Lobby für Menschenrechte zu stärken, um der weiteren Verrohung in Wort (Gesetz) und Tat nicht weiter Vorschub zu leisten.

Doch was bedeutet dies konkret?

Es gilt, die politischen Kräfte zu stärken, die sich dem Grundrechteabbau entgegen stellen. In drei Bundesländern wird in knapp drei Wochen gewählt. Eines davon ist Sachsen-Anhalt. Dort werden seit Wochen grüne und linke Politiker*innen wegen ihres Engagements für Geflüchtete und eine offene Gesellschaft mit dem Tode bedroht, beschimpft und beleidigt. Die AfD liegt in den aktuellen Umfragen bei 17 Prozent, ihr Programm ist an Deutschtümelei und Hetze kaum zu überbieten. Für GRÜN geht es ums parlamentarische Überleben. Allen muss klar sein, dass wenn GRÜN dort nicht mehr im Landtag vertreten ist, AfD und CDU die Mehrheit bilden – ohne eine Chance auf ein wirksames Korrektiv von links. Von daher braucht es hier ein strategisches gemeinsames Vorgehen der linken und grünen Kräfte – Erst- und Zweitstimme sollten sehr bewusst genutzt werden.

Hass und Menschenverachtung wirken wie pures Gift in der Gesellschaft. Wenn es nicht bald gelingt, diesen mit allen zivilgesellschaftlichen Kräften zu widerstehen, darf man sich nicht wundern, wenn es am 13. März ein schauriges Erwachen gibt – zumindest in Sachsen Anhalt.

Aber auch sonst ist es genau jetzt die Zeit, aufzustehen und Mitmenschlichkeit zu üben, um aus der Gewaltspirale von Rassismus und Kriminalisierung auszubrechen und die Schande im Umgang mit Menschen endlich zu beenden.


23. Februar 2016

Astrid Rothe-Beinlich, Vorstandssprecherin

Thomas Seibert, Vorstandssprecher

Sonja Buckel, Kuratoriumssprecherin

Volker C. Koehnen, Vorstandsmitglied